Landkreis: Konstanz
Gemeinde: Radolfzell am Bodensee
Gemarkung: Liggeringen
Naturraum: Bodenseebecken
NSG: seit 1984
NATURA 2000: Bodanrück
Größe: 6,95 Hektar
Top. Karte: 8220 Überlingen-West
Auf dem westlichen Bodanrück liegt nördlich des Ortes Liggeringen das Schutzgebiet „Ober Öschle“. Ein Großteil des geschützten, südexponierten Molassehanges wird von Wiesenflächen eingenommen, die hangaufwärts in einen lockeren Laubwaldbestand übergehen. Ein kleines Trockental teilt das Gebiet in zwei gleichartig gestaltete Bereiche, den westlichen und den östlichen Molassehügel. Die Lage und die Exposition des „Ober Öschle“ führen dazu, dass das Gebiet im Winterhalbjahr oft aus dem Nebel herausragt, der das gesamte Seebecken füllt. Die Sonneneinstrahlung ist fast ganztägig möglich. Die Besonderheit des Gebietes ergibt sich aus seiner isolierten Lage und dem Reichtum an Orchideen- und Enzianarten.
Die Vegetation spiegelt eine traditionelle Nutzung durch den Menschen wider, die über Jahrhunderte hinweg unverändert betrieben wurde. Der in Ortsnähe gelegene Wald wurde gerodet und in Wiesen umgewandelt, die aufgrund der schlechten Bodenverhältnisse wenig Ertrag brachten und nur extensiv genutzt wurden. So konnten sich im Laufe der Zeit Halbtrockenrasen mit einer reichen floristischen Ausstattung entwickeln und bis heute erhalten. Es handelt sich im wesentlichen um Halbtrockenrasen, in denen zahlreiche gefährdete Arten vertreten sind. Besonders hervorzuheben sind die stark gefährdeten Arten: Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata), Frühlings-Enzina (Gentiana verna), Brand-Knabenkraut (Orchis ustulata), Steppenfenchel (Seseli annuum) und Abgebissener Pippau. Die gefährdete Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) kommt nur noch in einem kleinen Teilareal des Gebietes vor und droht im Gebiet durch Wildverbiss (Damwild) zu verschwinden. Insgesamt sind 12 Arten in ihrem Bestand gefährdet, hierzu gehören: Hundswurz (Anacamptis pyramidalis), Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera), Kleines Knabenkraut (Orchis morio), Kelch-Simsenlilie (Tofieldia calyculata) und Berg-Klee (Trifolium montanum). Zahlreiche Orchideen, wie: Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea), Berg-Waldhyazinthe (Plathanthera chlorantha) stehen auf der Vorwarnliste.
Die durch den NABU im Gebiet durchgeführten quantitativen Erhebungen ausgewählter Pflanzenarten belegen ein deutliches Schwankung der Populationdichten. Nur noch in geringen Dichten kommen Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata), Fransen-Enzian (Gentiana ciliata), Pyramiden-Spitzorchis (Anacamptis pyramidalis) und Frühlings-Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) vor, während Deutscher Enzian (Gentiana germanica), Frühlings Enzian und Mücken-Händelwurz noch in größeren Individuenzahlen vorkommen.
Im unteren Hangbereich und auf den tiefgründigeren Böden des Trockentals gehen die Magerwiesen in blumenreiche Glatthaferwiesen über, die mit Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea), Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratensis) u.a. bestanden sind. Den Übergang zum Wald bilden hochwüchsige Stauden, die dem Gebüschmantel lichtbedürftiger Sträucher vorgelagert sind und bei ausbleibender Mahd flächig in die Magerrasen vordringen.
Auch die Wälder des Schutzgebiets sind von einer traditionellen Nutzung geprägt. Ein Großteil des Bestandes diente der Brennholznutzung und hat niederwaldartigen Charakter. Kiefer und Fichte sind forstwirtschaftlich eingebrachte Bäume, die den ursprünglich standortgerechten Buchenwald durchsetzen bzw. als Schonung einen großen Bereich der Waldfläche einnehmen. Zitter-Pappel und Robinie breiten sich insbesondere von lichten Waldbeständen ausgehend in die wertvollen Trockenasen hinein aus.
Die besonderen Standortbedingen des Gebietes: südexponierte Hanglange, traditionelle Wiesennutzung auf nährstoffarmen Standorten bedingt analog zum Reichtum an Blütenpflanzen eine artenreiche Insektenfauna. Im Rahmen der Untersuchungen zur Wildbienenfauna konnten im NSG 87 Arten festgestellt werden, was 19 % der in Baden-Württemberg bekannten Arten entspricht. Darunter befinden sich 9 Arten der Roten Liste sowie 12 Arten der Vorwarnliste. Diese Arten, die in der intensiv genutzten Kulturlandschaft nicht überleben können, finden im „Ober Öschle“ einen geeigneten Rückzugsraum.
Die Pflege und Betreuung des Gebietes wird durch den ortsansässigen NABU in Zusammenarbeit mit Landwirten geleistet. Die Pflege beinhaltet eine zeitlich modifizierte Mahd der Flächen von Juli bis August, um dem Vorkommen spät blühender Enzianarten gerecht zu werden. Besonderer Augenmerk ist auf vordringende Hochstauden (u.a. Adlerfarn) und Gehölzeverjüngung (Zitter-Pappel) zu richten. Der westliche Hang des Naturschutzgebietes wird seit zwei Jahren im Spätsommer durch Schafe beweidet.
Eine zusätzliche Gefährdung des Schutzgebiets ist seine unmittelbare Nähe zur Ortschaft,
die einen regen Besucherverkehr zur Folge hat. Auch wenn sich viele der Erholungssuchenden auf dem Wanderweg und den Sitzbänken am Waldrand aufhalten, entstehen hier und da Trampelpfade und
Feuerstellen, an denen sich unerwünschte Ruderalarten ansiedeln und in die Rasengesellschaften eindringen. Ein besonderes Problem stellen Mountain Biker dar, die beim Bergabfahren („Down hill“)
den Weg verlassen und die Vegetationsflächen belasten. Eine gezielte Besucherlenkung soll einer großflächigeren Beeinträchtigung vorbeugen. Hierzu gehört die Entnahme des Weges aus den
offiziellen Wanderkarten sowie das Aufstellen von Verbotstafeln.
Literaturhinweis:
HELLWIG; Michael (2003): Pflanzenvielfalt in einem kleinen Naturschutzgebiet auf dem Bodanrück. Flora
des NSG „Oberöschle“ bei Liggeringen (Landkreis Konstanz) unter Berücksichtigung arealgeographischer und vegetationskundlicher Aspekte.- Naturschutz zwischen Donau und Bodensee. Heft 3/2003:
41-46
HERRMANN, Mike (2002): Die Wildbienen (Hymenoptera, Apidae) im NSG „Oberöschle“ bei Liggeringen, Landkreis Konstanz. Naturschutz zwischen Donau und Bodensee 1: 48-50.
Besucherhinweis: Entlang des Wanderweges, der durch das Gebiet führt, erhält man einen guten Eindruck von den Halbtrockenrasen. Die meisten der genannten typischen und gefährdeten Pflanzenarten kann man beobachten, ohne den Weg zu verlassen.